Aktuelles Stellungnahmen

Stellungnahme zu statusgewandelten LSBTI* Geflüchteten in der Wohnungsnotfallhilfe

LSBTI*-Geflüchtete inbesonderem Maße von Wohnungslosigkeit betroffen oder bedroht

Nach dem obligatorischen Aufenthalt in den Aufnahmeeinrichtungen stoßen LSBTI*Geflüchtete auf einen längst eskalierten Berliner Wohnungsmarkt, auf welchem es schlicht keinen bezahlbaren Wohnraum für alle gibt. In Konkurrenz mit einer Großzahl finanzschwacher Wohnungssuchender wirken sich u.a. folgende Faktoren für LSBTI*-Geflüchtete zusätzlich nachteilig aus, wenn es darum geht, eine Wohnung zu finden und /oder zu halten:
• Diskriminierungen aufgrund von Hautfarbe, Herkunft, geschlechtlicher Identität, sexueller Orientierung und/oder Religion,
• kulturelle, sprachliche & bürokratische Hürden,
• ein überdurchschnittlich hoher Anteil von komplex traumatisierten Menschen,welche auf professionelle Unterstützung beim Finden und/oder Halten von Wohnraum angewiesen sind
• oftmals unsichere Untermietsverträge in Wohngemeinschaften nach Auszug aus den Aufnahmeeinrichtungen.

Neue Leitlinien der Wohnungsnotfallhilfe und Wohnungslosenpolitik

Im Rahmen der 3. Berliner Strategiekonferenz zur Wohnungslosenhilfe im Oktober 2019 präsentierte die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit & Soziales die neuen „Leitlinien der Wohnungsnotfallhilfe und Wohnungslosenpolitik“. Die neuen Leitlinien wurden auf Grundlage einer breiten Beteiligung unterschiedlicher Akteur*innen der Wohnungslosenhilfe sowie betroffener Senatsverwaltungen und Bezirke erstellt. Wir begrüßen den Inhalt dieser Leitlinien ausdrücklich und möchten die folgenden Punkte hervorheben:

• 
Die schnellstmögliche Vermittlung in Wohnraum müsse immer die oberste Priorität sein:
Kommunale / ordnungsrechtliche Unterbringungen nach ASOG (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz) sollen dem Grunde nach vermieden werden. Hier wird von den Autor*innen angemerkt, dass die Vorhaltung und Schaffung von bezahlbaren Wohnungen eine wesentliche Voraussetzung für die Beendigung von Wohnungslosigkeit sei.

• 
Wenn ein Wohnungsnotfall eintritt, müssen die eingeleiteten Maßnahmen der individuellen Lebenssituation der Betroffenen gerecht werden:
Dies gelte insbesondere für die Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten gem. §§ 67 ff. SGB XII sowie die kommunalen /ordnungsrechtlichen Unterbringungsstrukturen in Bezug auf fachliche und räumliche Standards. Dabei sei für schutzbedürftige Personen der notwendige Schutzraum zu gewährleisten, was u.a. auch die Schaffung zielgruppenspezifischer Angebote für LSBTI*-Personen beinhalte. Auch für wohnungslose Menschen gelte das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie das Diskriminierungsverbot. Bei Bedarf seien außerdem der Gemeindedolmetscherdienst (GDD) bzw. Integrationslots*innen einzubinden.

• 
Voraussetzung für eine bedarfsgerechte Belegungssteuerung sei die gesamtstädtische Bündelung und Koordination der vorhandenen Ressourcen:
Nur durch ein bezirksübergreifendes Vorgehen könne sichergestellt werden, dass die Menschen dort untergebracht werden, wo ihren individuellen Bedarfen am besten entsprochen werden kann.

• 
Bei Bedarf sollen kombinierte Leistungen bewilligt werden:
Dies verstehen wir so, dass z.B. bei Unterbringung (nach ASOG) zusätzlich Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (§§ 67 ff. SGB XII)gewährt werden.

Empfehlungen

Im Sinne der Umsetzung dieser Leitlinien benötigt unsere Zielgruppe der LSBTI*Geflüchteten:
• 
einen besseren Zugang zu bezahlbaren Wohnungen:
Ohne eine Ausweitung des Angebots von bezahlbarem Wohnraum können auch die besten Hilfsangebote in der Fläche nicht erfolgreich sein. Zudem wünschen wir uns für LSBTI*-Geflüchtete eine erleichterte Aufnahme in das geschützte Marktsegment.

• 
eine schnelle Vermittlung/ Bewilligung von LSBTI*-sensiblen Hilfsangeboten:
Es braucht mehr LSBTI*-sensible Hilfen nach §§ 67 ff. SGB XII, sowie eine Stärkung bestehender Angebote. Bekannt ist uns bislang lediglich das Projekt„Neustart“ des HVD ( www.humanistisch.de/neustart). Hier gibt es gute Erfahrungswerte in der Zusammenarbeit und wir wünschen uns, dass eine solche Unterstützung deutlich mehr LSBTI*-Geflüchteten zu Gute käme.
Da die Leistungstypen nach §§ 67 ff. SGB XII ein breites Spektrum (mit und ohne Unterbringung) umfassen, ist nach individuellem Bedarf und Verfügbarkeit das passende zu ermitteln.

• 
auch bei Unterbringungen nach ASOG muss der Schutzraum für LSBTI*sichergestellt sein:
Konventionelle Unterkünfte für wohnungslose Menschen bieten keinen Schutzraum für LSBTI*-Geflüchtete. Im Extremfall werden z.B. Trans*-Frauen in Sammelunterkünften mit Männern untergebracht, was für diese schnell zu entwürdigenden wie gefährlichen Situationen führt. Wir begrüßen, dass einige Bezirke daher in Einzelzimmern (z.B. in Hostel) unterbringen. Leider ist dies nicht überall der Standard und hängt erfahrungsgemäß vom zuständigen Bezirk und/oder den jeweiligen Sachbearbeiter*innen ab. Auch ist es (aufgrund sprachlicher Barrieren und berechtigter Angst vor Diskriminierungen) in der Regel nicht ausreichend, den Hilfesuchenden eine Hostel-Liste in die Hand zugeben, mit der Aufforderung, sich nun selbst um einen Platz zu bemühen. Auf Grundlage der Aufgabenzuweisung im Allgemeinen Zuständigkeitsgesetz (AZG) gem.§ 3 AZG sind die Bezirke in der Pflicht, allen unfreiwillig Obdachlosen einen Unterkunftsplatz nachzuweisen.

• 
LSBTI*-sensible Beratung bei den bezirklichen Wohnhilfen unter Ausschöpfung gesamtstädtischer Möglichkeiten
Die Mitarbeitenden sollen für den Umgang mit LSBTI* sensibilisiert werden, über die passenden Unterbringungs- und Hilfsangebote Bescheid wissen und an diese vermitteln. Wenn nötig müssen Dollmetschdienste und/oder Integrationslots*innen eingebunden werden. Es sollte immer erwogen werden, ob Leistungstypenkombiniert werden müssen, um eine pass genaue Hilfe zu ermöglichen: z.B. die Unterbringung nach ASOG in Kombination mit einer ambulanten Hilfe (WuW).
.